Sozialdemokratische Freiheitskämpfer:innen – Fleischanderl: Gedenken mahnt, dass Österreichs Aufarbeitung des Nationalsozialismus intensiv und breit weitergeführt werden muss
Am 12. März 1938 überquerte die deutsche Wehrmacht die Grenze zu Österreich – und das ohne jeglichen Widerstand. Im Gegenteil: Die deutschen Truppen wurden von breiten Teilen der Bevölkerung begeistert begrüßt. Drei Tage später verkündete Adolf Hitler vor den jubelnden Massen auf dem Wiener Heldenplatz den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich.
„Heute, 87 Jahre danach, entwickeln sich die Demokratien Europas wieder in eine autoritäre, demokratiefeindliche Richtung“, verweist Elisabeth Fleischanderl – SPÖ-Klubobfrau und Tiroler Vorsitzende des Bundes sozialdemokratischer Freiheitskämpfer:innen, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschist:innen – auf Parallelen zur Gegenwart: „Damals wie heute gilt nicht mehr das wahre und sachliche Argument, sondern vielmehr das Wort des lautesten Hetzers.“
Die Moskauer Deklaration von 1943, die die Besetzung Österreichs für null und nichtig erklärte – und somit Österreich als das erste freie Land, das Hitlers Angriffspolitik zum Opfer gefallen sei – erwies sich als Bärendienst für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich. „Der Opfer-Mythos war weitaus bequemer als die Frage der Mitschuld. Die Verklärung der österreichischen Rolle zur NS-Zeit hält in vielen Köpfen bis heute an – zum Nachteil einer breit getragenen Erinnerungskultur.“
Das lässt sich zu Teilen auch Leopold Figl zuschreiben. Damals Außenminister, erreichte er in den Verhandlungen zum Staatsvertrag die Streichung einer zuvor enthaltenen Klausel, wonach Österreich für den Krieg ebenso Verantwortung trage: So wurde die Erwähnung der Mitschuld getilgt und der Opfermythos einzementiert – bis zur Waldheim-Affäre und der Anerkennung der österreichischen Verantwortung durch SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky im Jahr 1991.
„Die Gräuel des Faschismus, die millionenfachen Opfer, die Schrecken der Schlachtfelder sind heute vielfach vergessen. Das sehen wir insbesondere unter jungen Männern, die zudem überproportional häufig mit der NS-Ideologie sympathisieren und neo-faschistischen Parteien ihren Zulauf bescheren. Das ist eine gefährliche Entwicklung“, warnt Fleischanderl und betont: „Statt im Opfer-Mythos zu verharren, müssen wir der Vergangenheit ins Auge sehen – heute nicht aus Schuld, sondern aus Verantwortung. Weil es nicht ,einige wenige‘ waren in Österreich. Sondern viele, die den Nationalsozialismus unterstützt, begrüßt und geduldet haben.“